Lesenswertes... Interviews mit Christian Bieniek
 
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  „VOLL INS HERZ“ der Leser!
 
Christian Bieniek (CB) im Gespräch mit Hans-Heino Ewers (EW)
 
Am 04.07.2003 auf dem Campus Westend der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Moderation: Adrienne Hinze
 
 
Mit freundlicher Genehmigung des Instituts für Jugendbuchforschung
der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt/M.
http://www.uni-frankfurt.de/fb/fb10/jubufo
   
   
   
Über das Schreiben  
   
EW:
Welche Rolle spielen Ihre eigenen Erfahrungen für Ihre Bücher?
Es kommt ja kaum vor, dass Sie nicht aus der Ich-Perspektive erzählen…

CB:
„Ich“ schreiben fällt mir schwer, allerdings nur, wenn ich mich selbst dabei meinen und dann auch noch die Wahrheit sagen muss! Beim Ich-Schreiben bin ich ja immer jemand anders. Ein kleines Mädchen, ein Jugendlicher, ein Hund, ein Hamster. ‚Ich’ ist ein anderer, und ich erfinde was, weil ich einfach nicht mehr ‚Ich’ sagen kann und mich selber meinen kann. Das habe ich verloren.
Zum Beispiel: Ich arbeite gerade an einer neuen „Karo Karotte“, und da bin ich wieder ein achtjähriges Mädchen. Wenn ich damit fertig bin, ist der nächste Band vom „MädchenHasserClub“ dran, da bin ich ein elfjähriger Junge! Und so muss ich immer anders denken, und ich, Christian Bieniek, komme dabei überhaupt nicht vor. Darum schreibe ich übrigens auch alle meine E-Mails mit kleinen Buchstaben, zum Unterschied zu meinen professionellen Texten.

Die Alternative wäre, wenn ich über mein Leben schreiben würde. Das ist schon immer so gewesen beim Schreiben. Das eine ist das Schreiben, das andere ist das Leben. Und das ist das große Problem bei den meisten Autoren, die halt nicht genug erleben.
Jetzt bei den ganz jungen Autoren hat man’s gesehen. Benjamin von Stuckrad-Barre zum Beispiel, der schreibt ein Buch über sich; dann soll er das nächste schreiben und hat leider nichts erlebt außer Lesereisen, und so macht er halt ein Buch über Lesereisen.

Das möchte ich auf keinen Fall. Mein Leben ausbeuten für Bücher? Da bin ich lieber jemand anderes.
Mein Leben ist einerseits so abstrus und andererseits so langweilig - damit möchte ich niemanden behelligen. Niemand will wissen, ob ich Klavier spiele, das interessiert doch keinen.
Und insofern bin ich im Grunde wie all die Schriftsteller, die ich am liebsten mag. Die haben Hunderte von Sachen geschrieben und waren immer jemand anderes. Und es gibt überhaupt keinen Text über sie selber, so etwas haben sie nie verfasst.
Es gibt nichts von Lope de Vega oder Molière, wo sie erklären, warum sie schreiben. Es gibt nichts dergleichen über Hamsun. Wenn er nicht am Ende seines Lebens diesen Prozess gehabt hätte, hätte er nie über sich geschrieben, nicht eine Zeile!

EW:
Ein sehr interessanter Aspekt, aber - wie das Leben so spielt - selbst wenn man als Autor nicht vom autobiografischen Gestus getragen wird, steckt doch Leben drin in dem, was man schreibt - und zwar das eigene Leben, ohne dass man sich das gelegentlich klarmacht…

CB:
Ja, sicher, na klar!

EW:
… und es ist auf der anderen Seite auch etwas Erfrischendes, den Typ von Autor zu erleben, der nicht mit dem penetranten Gestus „That’s my life“ kommt, sondern der eine Einfühlungsgabe hat, der Rollenspiele inszeniert, der komische Szenen gestaltet.
Und was ich meine auch bei Ihnen zu erleben, ist: Sie haben eine außerordentlich starke Beobachtungsgabe und die Gabe, sie umzusetzen. Ich glaube, Ihre Texte sind voll von eigenen Erfahrungen und Beobachtungen, das merken Sie vermutlich gar nicht.
 
   
   
   
„Heimatliteratur“ - Über den Stoff für die Einfälle und den „Dreh“ beim Schreiben  
   
Aus dem Publikum:
Noch eine Bemerkung zu der Frage, ob sich Ihr Leben in den Büchern widerspiegelt.
Man sieht doch sehr oft, woher ein Autor die Vorlagen für seine Stoffe nimmt. Wir haben vor kurzem im Seminar Ihr Buch „Voll ins Herz“ behandelt und das enthält ja schon viele verrückte Einfälle, es ist sehr außergewöhnlich…

CB:
Nicht für Düsseldorfer Verhältnisse, das darf man nicht außer Acht lassen. Es ist im Grunde Heimatliteratur, was ich mache, Düsseldorfer Heimatliteratur. Auch diese Komik, die Sie ansprechen, ist ja nicht meine Komik, in Düsseldorf liegt das auf der Straße. Das ist nichts besonderes, dass die alle so komisch reden. Manchmal kriege ich zu hören: „Wieso sind die Leute in deinen Büchern immer so witzig?“ Natürlich auch deshalb, weil ich niemanden damit langweilen will, dass ich eine langweilige Figur auftreten lasse. Wer möchte das schon? Aber das ist Heimatliteratur, und daher sind auch diese Familienverhältnisse ganz und gar nicht ungewöhnlich, die Leute sind einfach so.

Ein Beispiel dazu: Letztens habe ich eine alte Dame beobachtet, die wurde vollkommen zugeparkt von einem Mann in einem anderen Wagen. Hier in Frankfurt oder anderswo wäre sie vielleicht ausgestiegen und hätte gesagt: „Entschuldigung, würden Sie bitte weiterfahren?“ Nicht so in Düsseldorf. Die steigt aus, die Dame, und sagt: „Ey, wenn du mir ein paar Flügel drankleben würdest, dann könnte ich über dich rüberfliegen!“ Das ist die Düsseldorfer Art: Immer so ’n lustigen Spruch drauf. Und auf eine ganz bestimmte Art hemmungslos.
Und so sind viele meiner Figuren in meinen Büchern auch. Die würde ich nicht in der Oberpfalz oder in Niedersachsen ansiedeln können. Dort können die Leute auch sehr komisch sein, allerdings auf eine ganz andere Art, die ich nicht so gut kenne und die zu beschreiben ich mir deshalb nie zutrauen würde.

Aus dem Publikum:
Ist das denn wirklich aus dem Leben gegriffen, wie Sie behaupten? Mir kommt das eher als ein Versuch vor, etwas sehr Außergewöhnliches zu inszenieren, denn sonst kämen diese Situationen ja gar nicht zustande.

CB:
Nein, das ist wirklich nicht so. In „Voll ins Herz“ ist es sogar eine Familie, die ich kenne, über ein paar Ecken. Er ist Anwalt, sie Schauspielerin, und die haben ein sehr offenes Verhältnis, was in Düsseldorf nichts Außergewöhnliches ist, zumindest in bestimmten gesellschaftlichen Kreisen.
In den Großstädten ist es ohnehin nicht ungewöhnlich, eine offene Beziehung zu haben. In Düsseldorf wird jede 1,8te Ehe geschieden. Das ist nicht mehr so wie früher.
Bei mir in der Grundschule früher gab es kein einziges Kind, dessen Eltern geschieden waren. Als meine Tochter eingeschult wurde, gab es dagegen nur fünf Kinder in der Klasse, deren Eltern nicht getrennt lebten. Und genau diese Verhältnisse kommen auch immer wieder in meinen Büchern vor.

EW:
Wir haben gelegentlich in unseren Diskussionen gesagt: Das ist Bieniek! Woran kann man das erkennen? Haben Sie selbst so ein Gefühl: Das ist mein Dreh?

CB:
Nein, das kann ich eigentlich nicht sagen. Richtig ist allerdings, dass ich keinerlei Angst habe, mich zu wiederholen. Genau wie Bach, Mozart, Frans Hals, Thomas Bernhard und zig andere, die sehr produktiv waren und sind.
Es ist nach meiner Ansicht ein großer Fehler, immer originell sein zu wollen. Ich mag auch als Leser Fließbandautoren und Vielschreiber, und ich ärgere mich immer, wenn die mal versuchen, etwas anderes zu machen als das, was ich an ihnen liebe. Wenn ich einen Roman von Georges Simenon lese, weiß ich, was mich erwartet, und das ist das Wunderschöne an ihm. Wenn ich Honoré de Balzac lese, weiß ich ebenso, was mich erwartet.

Meine Leser liegen da mit mir auf einer Linie, daher verstehen wir uns prächtig.
Wenn sie ein Buch von mir aufschlagen, dann wissen sie, was sie erwartet. Und ich würde sie nun wirklich furchtbar enttäuschen, wenn ich einfach das Milieu wechselte oder ein ganz und gar anderes Thema in einem ganz anderen Stil behandeln würde. Diese Erfahrung haben andere schon gemacht, z. B. John Updike, der alle seine Bücher im Mittleren Westen ansiedelt. Und dann hat er sich gedacht: Mach ich mal was ganz anderes, schreib ich mal ein Buch über Brasilien! Das war sein größter Flop, niemand wollte und will das lesen, es ging total daneben.

Ich mache eigentlich immer das, worin ich mich am besten auskenne, und was meine Leser gerne lesen möchten. Obwohl ich mich natürlich nicht bei ihnen anbiedern möchte. Aber ich weiß genau, welches Tempo sie mögen, denn das ist ja auch das Tempo, das ich selbst habe. So gesehen könnte ich es gar nicht anders machen, selbst wenn ich wollte.
 
   
   
Vom Pakt zwischen Autor und Leserschaft  
   
EW:
Also, wenn es keine Anbiederung ist, dann gibt es aber doch irgendwo einen Verständigungsprozess mit den Lesern. Gibt es nicht doch eine Art von Pakt, einen Vertrag zwischen dem Autor und seiner Leserschaft? Und dieser Vertrag beinhaltet Erwartungen.

CB:
Ja, genau!

EW:
Interessant daran ist für mich nicht zuletzt, dass Sie dieses Element der immer wieder neuen Erfüllung des Vertrags und auch der Wiederholung als eine wichtige Komponente Ihres Handwerks sehen.
Hier, so scheint mir, deckt sich gewissermaßen der Leserhorizont, der sich von Seite zu Seite und von Buch zu Buch aufbaut, sehr stark mit Ihrem, sagen wir einmal, Schreib- und Lusthorizont. Kann man das so sagen?

CB:
Ja, das ist allerdings viel schwerer zu erreichen, als man glaubt, und ich bin sehr froh darüber, dass ich es geschafft habe. Seit meinem ersten Buch habe ich im Grunde so viele Leser, dass ich davon leben kann.
Es gibt sicher jede Menge Autoren in Deutschland, die das unheimlich gerne hätten: Eine Leserschaft, die sie quasi finanziert. Die geben mir Geld, ich gebe ihnen Stoff. Und seit meinem ersten Buch habe ich Leser, die mein Zeug lieben und darauf warten: ‚Wann kommt das Nächste? Mach doch noch einen „Oberschnüffler Oswald“. Schreiben Sie doch bitte noch eine „Karo Karotte“!’

Und auf meinen Lesereisen bin ich ja auch ständig in Kontakt mit ihnen. Das ist gerade so, als wenn der Vorstandsvorsitzende der Daimler-Chrysler AG den ganzen Tag neben einem Typen sitzt, der einen Daimler fährt, und fragt: „Na, echt gute Bremsen, oder? Ah, super Steuer! Was, da stimmt was nicht? Oh, oh, der Blinker, oh, oh!“ So bin ich dauernd mit meinem Publikum zusammen und höre dabei immer, was sie gerne haben, was sie gut finden, was sie nicht wollen.
Zu meinem ganz besonderen Vergnügen gehört es dann allerdings, bestimmte Erwartungen nicht zu erfüllen. Oder auf eine andere Art, als es die Leserschaft gerne hätte. Denn sonst würde mir meine Arbeit im Laufe der Zeit ziemlich langweilig werden.
Seit Jahren werde ich zum Beispiel von LeserInnen gelöchert, eine Gruselserie zu schreiben. Bis jetzt konnte ich mich nicht dazu durchringen.

Ich kriege natürlich auch viele Briefe und Mails, wobei ich besonderen Wert auf die Meinungen einiger Leserinnen lege, die meine Arbeit seit Jahren verfolgen und die jede Zeile von mir kennen. Die machen mich schon gelegentlich auf Schnitzer aufmerksam: „Hör mal, das war da besser… Achtung, hier hast du’s verpatzt!“ Schließlich gibt es nur ganz wenige, die wirklich alle meine Bücher kennen, denn ich bin bei sieben oder acht deutschen Verlagen. Ich kann nicht erwarten, dass die Lektorinnen alle meine Bücher gelesen haben.
Aber diese Leserinnen, die kennen jede Zeile von mir. Und die machen mich eben schon mal auf Fehler aufmerksam: „Wart mal, hier, so geht’s aber nicht…“ oder: „Hieß in deinem vorletzten Buch der Bruder der weiblichen Hauptfigur nicht auch Thomas, genau wie in deinem neuen Buch? Denk dir mal einen anderen Namen aus!“

EW:
Wie wär’s mit einem Verzeichnis im Computer, wie es Kollege Hohlbein angeblich macht?

CB:
Nein, danke, ich verlasse mich lieber auf diese paar intelligenten Mädchen, die kennen mein Werk in- und auswendig. Im Grunde sind das auch die Einzigen, auf die ich letztendlich höre.
 
   
   
Über Verlage und Lektorinnen  
   
EW:
Ist das Mitlesen nicht auch eine Aufgabe derjenigen, die Ihre Bücher in den Verlagen betreuen?

CB:
Richtig, ich habe auch tolle Lektorinnen! Ich bin ja bei so vielen Verlagen und werde immer wieder gefragt, warum ich nicht bei einem einzigen Stammverlag bin. Tatsächlich hat es etwas damit zu tun, dass ich gerne mit manchen Menschen zusammenarbeite und mit manchen eben nicht.

Ich wäre heute noch beim Arena Verlag, ausschließlich, wenn alle die, die damals, als ich dort anfing, immer noch dort arbeiten würden. Aber die wechseln ständig die Verlage, und ich wechsle halt mit. Meistens jedenfalls.

Bei Fischer bin ich zum Beispiel derzeit nur, weil es Eva Kutter dorthin verschlagen hat, mit der ich ein paar sehr schöne Bücher bei Arena gemacht habe. Wenn sie übermorgen zum Nürnberger Telefonbuchverlag wechseln würde, dann wäre ich auch dabei. Dann würde ich Sachen schreiben wie: „Müller, Wolfgang. 18 13 459“. Hauptsache, ich kann weiter mit Eva Kutter zusammenarbeiten.

Dass ich Bücher bei bestimmten Verlagen mache, ist also eine rein persönliche Angelegenheit.

EW:
Es gibt einige Serien, da sind neben Christian Bieniek noch weitere Autoren auf dem Titel verzeichnet.
Schreiben Sie diese Texte zusammen mit den Anderen oder wie soll man sich diese Kooperationen vorstellen?

CB:
Es sind zwei Autorinnen, mit denen ich regelmäßig zusammenarbeite. Das kam daher, dass die großen Verlage gerne umfangreiche Serien haben wollen, acht Bände, zehn Bände oder noch mehr. Da musste ich dann zugeben, dass ich das nicht schaffe: „Unmöglich, kann ich nicht! Aber ich kenn da jemand, hinter den Bergen, bei den Sieben Zwergen!“ Auf diese Weise kamen meine Mitautorinnen Marlene Jablonski, die ist jetzt vierundzwanzig, und Vanessa Walder ins Spiel.
Und ich habe natürlich drauf bestanden, dass die beiden auch immer auf dem Umschlag genannt werden. Denn die beiden sind echt gut, die können super schreiben. Es gibt auch Autoren, die lassen sich das dann schön schreiben, und dann hängen sie nur ihren eigenen Namen vorne dran. So läuft es bei mir nicht.

EW:
Und wer schreibt nun was an diesen Serien?

CB:
Wir schreiben die Bände abwechselnd. Die beiden haben dabei gelernt, wie es funktioniert.
Aber alle Namen stehen auf den Covers aller Bände drauf.

EW:
Sie sprachen auch von Titeln, die unter Pseudonym erscheinen…

CB:
Ja, bei Loewe und zwar unter C.B. Lessmann, eine recht erfolgreiche Serie namens „Sisters“.
Die ersten Bände habe ich gemeinsam mit Marlene Jablonski ausgedacht, geschrieben wurden die Bücher dann von Vanessa Walder. Inzwischen macht Vanessa das ganz alleine. Sie ist einfach ausgezeichnet. Schon dreißig, vierzig Titel sind von ihr erschienen und sie ist erst fünfundzwanzig.

EW:
Sie haben ja auch Erfahrungen mit der Arbeit für Film und Fernsehen. Wie beurteilen Sie diese im Vergleich? Sind z. B. die Produktionsbedingungen von Literatur günstiger als beim Schreiben von Filmscripts?

CB:
In jedem Fall, denn wenn auf einem Buch mein Name drauf steht, ist da auch alles darin von mir.
Bei Filmscripts dagegen muss ich meinen Namen geben und die machen daraus, was sie wollen. Das ist natürlich nicht immer schlecht, und als ich für Harald Juhnke geschrieben habe, war es eine Ehre für mich, für einen ganz großen Schauspieler zu schreiben.
Allerdings hat man früher auch sorgfältiger produziert. Die haben sich einen ganzen Tag für so einen kleinen Sketch Zeit gelassen. Mit dem verglichen, was heute gedreht wird, war das große Kunst.
Heute drehen die eine ganze Serienfolge an einem einzigen Tag!

Weil übrigens ein Buch so eng verknüpft ist mit dem eigenen Namen, höre ich sehr genau auf den Rat der Lektorinnen, und wenn Eva Kutter sagt: ‚Dies und das musst du noch einbauen!’, dann mache ich das natürlich auch. Wenn man so viel schreibt wie ich, verliert man leicht den Abstand zu dem, was man da Tag für Tag treibt.

Es ist ein großer Fehler zu glauben, mit zunehmendem Erfolg weniger auf den Rat der Lektorinnen angewiesen zu sein. Das Gegenteil ist richtig.
Je mehr Geld ein Verlag mit einem Autor verdient, desto unkritischer wird dort mit seinen Texten umgegangen. Am Ende weiß der Autor selbst nicht mehr so genau, welche Qualitäten sein Text hat.
Ich verstehe die Autoren nicht, die stundenlang, wochenlang manchmal, mit dem Lektorat um jeden Satz ringen. Da ist auch sehr viel Eitelkeit im Spiel, und die führt schnell zu unprofessionellem Verhalten.

EW:
Jetzt können wir Ihren Lektorinnen nur sagen: „Es gibt viele Zeugen für diese Aussagen! Wenn wir einmal etwas anderes hören sollten…“

CB:
Da könnt Ihr ruhig alle fragen! Je bekannter und erfolgreicher man wird, umso wichtiger werden die Lektorinnen. Ich will eine ehrliche Meinung hören und ich weiß sehr wohl, dass ich von allen, mit denen ich zusammenarbeite, auch eine ehrliche Meinung zu hören kriege.
 
   
   
„Wenn ich Hundefutter mache, möchte ich nicht wissen, ob es den Mäusen schmeckt!“  
   
Aus dem Publikum:
Mich würde interessieren, wie Sie mit Verrissen umgehen, ob Sie da „immer cool bleiben“ oder ob das „voll ins Herz“ geht?

CB:
Der war gut! Hättest vielleicht noch hinzufügen müssen: ‚Oder ob Sie daran oberschnüffeln!’
Ich muss mal was ganz Böses sagen über alle, die über mich oder meine Bücher schreiben: Ich habe noch nie eine Kritik gelesen! Nein, das stimmt nicht ganz, ich habe eine einzige gelesen, die hängt bei meinem Vater überm Bett, weil das die erste war, die erschienen ist.
Ansonsten - es hört sich furchtbar arrogant an, ich weiß - es interessiert mich nicht, was Erwachsene über meine Texte sagen. Die sind für Kinder und Jugendliche bestimmt, und von denen nehme ich alles ernst.
Ich beantworte jede Zuschrift, ich lese alles, was hereinkommt, ob es nun Schülerzeitschriften sind oder Briefe. Aber sobald Erwachsene anfangen über Kinder- und Jugendliche zu reden, da schalte ich sofort ab.

Ich weiß, dass das vielleicht für andere Erwachsene wichtig sein mag, aber für mich als Autor - und übrigens auch für meine Leserschaft - ist das völlig uninteressant.
Meine Devise ist: ‚Wenn ich Hundefutter mache, möchte ich nicht wissen, ob das den Mäusen schmeckt!’

Erwachsene lesen und beurteilen meine Bücher vollkommen anders als meine LeserInnen, und zwar auf eine Art und Weise, die mich als Autor nicht zu interessieren braucht.
Ich kriege stapelweise die Besprechungen nach Hause geschickt, werfe da aber keinen Blick rein. Allerdings weiß ich, dass die meisten durchaus positiv ausfallen, ab und zu ist sicher auch mal ’ne schlechte Kritik dabei. Aber das macht überhaupt nichts, das ist halt eine Meinungsäußerung.
Am Ende jeder Lesung frage ich immer: ‚Und, gibt’s jemand, dem es überhaupt nicht gefallen hat?’ Dann bin ich immer froh, wenn einer so mutig und so ehrlich ist, die Hand zu heben.
Es gibt kein Buch, das allen gefällt.