Lesenswertes... Interviews mit Christian Bieniek
 
 
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  Interview  www.mdr.de  mit Christian Bieniek am 13.03.2003  
 
“Das Jugendbuch ist ein einziges Frauending“
 
 
 
Christian Bieniek ist ein bekannter Kinder- und Jugendbuchautor und hat in den letzten zehn Jahren über 50 Bücher veröffentlicht.
Mdr.de wollte ihn im Interview vor allem nach dem „kleinen Unterschied“ beim Lesen fragen.
Bieniek kritisiert, dass die Kinder- und Jugendbuchbranche fest in Frauenhand liegt.
 
   
   
   
Sie sind gerade auf einer Lesereise durch Österreich. Überhaupt machen Sie sehr viele Lesereisen.
Warum?


Ich mache so ungefähr 300 Lesungen im Jahr, weil ich es liebe, woanders hinzukommen.
Der eigentliche Grund ist aber, dass Sie als Kinder- und Jugendbuchautor die einmalige Chance haben, 1 zu 1 mit Ihren Lesern zu kommunizieren. Erwachsene auf Lesungen sind immer nur höfliche Erwachsene, die nie ihre Meinung sagen.
Wenn ich in Dortmund-Scharnhorst in eine Gesamtschule reinkomme, ist die erste Frage: „Wie lange geht’n der Scheiß?“ Und gegen dieses miese Image, das andere Autoren und andere Kinderbücher haben, bin ich unterwegs.


Verhalten sich Jungen bei Ihren Lesungen anders als Mädchen?

Ja, sie sind weniger kommunikativ. Kann man aber auch so generell nicht sagen. Auffällig ist aber, dass so wie heute, als ich in einer reinen Mädchenschule gelesen habe, die Mädchen natürlich weniger Hemmungen haben, einmal die Hand zu heben und sich zu melden.
Mein eigenartigstes Erlebnis war im Münsterland. Da habe ich gefragt: „Wer liest denn hier gern? Und hat einer von euch schon mal ein Buch von mir gelesen?“ Niemand meldete sich. Hinterher kamen sieben Mädchen zu mir und sagten: „Wir kennen alle Ihre Bücher, aber wir wollten das hier vor den Jungs nicht sagen.“


Ist es schwerer als Autor für Mädchen oder für Jungen zu schreiben?

Für mich ist es einfach, für alle zu schreiben. Aber es ist schwer für Erwachsene zu akzeptieren, dass ein Mann so erfolgreiche Mädchenbücher schreibt. Wenn Sie ein guter Autor sind, können Sie über alles schreiben.
Aber als männlicher Autor wirst du ständig gefragt: „Wie kannst du denn wissen, wie sich ein Mädchen fühlt?“ Und das ist irgendwie gemein. Ich werde auch bei diesem Symposium * sagen, dass es mal wieder typisch ist, dass keine Frau eingeladen wurde, um sie zu befragen, wie sie eigentlich dazu kommt, über Jungs zu schreiben.

(* Christian Bieniek nimmt an dem vom Arbeitskreis für Jugendliteratur organisierten Symposium: „Der kleine Unterschied und seine Folgen für das Leseverhalten von Mädchen und Jungen“ teil (22.03.2003/Leipziger Buchmesse)


Was wollen Mädchen lesen und was Jungen?

Mädchen lesen gern Bücher, in denen Jungen eine Hauptrolle spielen, um zu gucken, wie Jungs eigentlich ticken.
Jungs hassen es, Mädchenbücher zu lesen. Ein ganz extremes Beispiel ist mein Buch „15, Jungfrau, Schlampe“, das hat so einen rosa Umschlag. Und ich war in Frankfurt in einer Privatschule und dort hebt ein Junge die Hand und sagt: „Sind Sie eigentlich bescheuert? Wie können Sie das Buch rosa machen? Ich musste das Buch in Deutsch lesen und saß damit in der U-Bahn. Jeder Dritte hat mich angeglotzt.“ Weil der Umschlag halt für Mädchen ist und daran denken die in den Verlagen nie.


Jungen lesen weniger als Mädchen. Wie sollten Jungen zum Lesen motiviert werden?

Es ist schon immer so gewesen und wird immer so bleiben. Dieses Kinder- und Jugendbuchding ist ein einziges Frauending. Ich habe noch nie mit einem männlichen Lektor zu tun gehabt.
Wenn ich auf Lesereise gehe, sehe ich nur Frauen! Bibliothekarinnen, Buchhändlerinnen, Deutschlehrerinnen, gelegentlich mal einen Mann und der entschuldigt sich noch und meint: „Ich wollte nur meine Frau abholen!“
Irgendwie ist es da doch kein Wunder, dass Jungs es da schwer haben, einen Zugang zu finden.
Und die andere Sache ist die: „Wenn ich als Junge in einen Buchladen gehe, klappe ein Buch auf und da steht: „Nur für Mädchen“ oder „Freche Mädchen“ oder „Nix für Jungs“, so heißen ja diese ganzen Reihen, da würde ich sagen: „Das ist nichts für mich!“
Frauen entscheiden über solche Sachen und hauptsächlich ein von Deutschlehrerinnen geprägtes Frauenbild, weil die meisten Autorinnen ehemalige Lehrerinnen sind.


Welche Rolle spielen andere Medien? Werden Bücher überbewertet?

Ich habe eine Tochter, die bedient sich aus allen Medien gleichzeitig. Das ist für viele Jugendliche heute das Problem, dass sie das Buch von vornherein ausschließen.
Das ist das Gemeine, dass Bücher in der Schule durchgenommen werden und dadurch so einen pädagogischen Touch bekommen. Bücher sollen ein Medium sein, das in deinem Leben eine Rolle spielt.
Aber Internet oder Gameboy oder Fernsehen oder Popmusik sind ähnlich wichtig.


Wer liest Ihre Bücher?

Dass ich eine kleine gebildete Oberschicht anspreche, das ist so. Das kann ich gar nicht steuern.
Ich bringe Bücher heraus und die werden von Leuten gekauft, die sich die leisten können. Und ich spreche die Leute an, die das Geld haben, das Buch zu kaufen. Und das sind nun mal Akademiker-Kinder und Kinder aus dem gehobenen Stand.
Die meisten Briefe, die ich bekomme, kriege ich von Arzt-Kindern. Es ist leider ganz selten, dass mir mal ein Arbeiterkind schreibt!