Lesenswertes über Christian Bieniek
 
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  Ich, Dortmund und die Frauen
 
Ein Jugendbuchfrischling zum Quieken
 
Ralf Schweikart in ESELSOHR  -  Februar 1994
 
 
 
Ein Vater, der die Koffer packt und zu seiner Freundin zieht, eine Mutter, die mit blank liegenden Nerven um ihren Sohnemann kämpft und schließlich ein 15-jähriger, der auf einen Schlag alle Probleme hat, die ein 15-jähriger nur haben kann: das läuft stark auf ein tränenrühriges Familiendrama und betroffenheitsmäßige Selbstfindungsarbeit hinaus.
Aber wir dürfen aufatmen, falsch getippt!

Marcel, der Ich-Erzähler, der Typ, der immer cool bleibt und einen Hamster namens Dortmund besitzt, steckt in einer ernsten, aber nicht hoffnungslosen Lage.
Eigentlich ist er mit Birgit zusammen, jedoch anfänglich nur, um Ute eifersüchtig zu machen. Die wiederum geht mit Daniel, um Marcel eins auszuwischen. Vertrackte Situation! Doch die ändert sich schlagartig, denn ein kleines, von Marcel verursachtes Missgeschick im Sportunterricht sorgt dafür, dass Utes Freund Daniel mit gebrochenem Knöchel einige Zeit im Krankenhaus verbringen muss.

Ute und Marcel kommen sich endlich näher, bis Marcel unweigerlich vor der großen Entscheidung steht: Soll er mit Ute zusammenbleiben, auf die er eigentlich schon immer scharf war? Oder mit Birgit, die sogar mit ihm schlafen will?
Marcels Zögern und Zaudern bringen ihn in immer abenteuerlichere Situationen, aus denen ihm nur noch Zufälle und Lügen heraushelfen.
Auch Marcels Kontakte zu seinem Vater und dessen junger, gutaussehender Freundin entwickeln sich anders als geplant. Denn während sich Marcels anfangs wütende und ablehnende Haltung zu Vaters Freundin immer mehr in ein freundschaftliches Verhältnis wandelt, trägt er ebenso penetrant wie unfreiwillig Zwist in Vaters neues Liebesglück.

Die Verwicklungen und Verstrickungen steuern mehr und mehr auf eine Katastrophe zu, denn plötzlich stehen ihm gleichzeitig Birgit und Ute gegenüber. Und kaum eine Sekunde später hat er statt zweier gar keine Freundin mehr.
Die frustverursachte Fahrt zu seinem Vater endet ebenfalls in einem Fiasko. Statt zu ihm und dessen Freundin in die Wohnung gelassen zu werden, steht ihm sein Vater mit gepackten Koffern gegenüber.
Bis zur Versöhnung der Eltern ist es dann nur noch ein kleiner Schritt, und auch für Marcels „Trostpflaster“ ist gesorgt, denn schließlich gibt es noch eine weitere Mitschülerin, die Marcel ins Herz und dann auch in die Arme schließt.

Ich gebe gerne zu, dass diese Zusammenfassung wie eine Mischung aus Lindenstraße und Groschenroman klingt. Aber was das Buch vor dem Plumps in die Klischeekiste bewahrt, ist die Art und Weise, wie die Geschichte erzählt wird.
Dass der Autor Christian Bieniek Jugendbücher eigentlich langweilig findet, Situation-Comedies nach amerikanischem Vorbild aber umso spannender (bislang schrieb er ausschließlich für Hörfunk und Fernsehen), wird Seite um Seite deutlicher: Kein Kalauer ist ihm zu schade, kein Witzchen zu schlecht, kein Mottenfiffi zu verstaubt, um ihn nicht mit einzubauen.
Diese mangelnde Rücksicht auf überkommene Konventionen ist ausschlaggebend für die komische Wirkung der Erzählung. In zwei Handlungssträngen, die sich immer wieder kreuzen, stolpert Marcel von Fettnapf zu Fettnapf.
Die Distanz, die sich der Ich-Erzähler durch seine ironisierende Haltung zu den Ereignissen zu schaffen versucht, doppelt sich in der Distanz des Lesers zum Text. Was die komische Wirkung in vielen Fällen noch steigert.

Die Dialoge sind treffend, auf den Punkt gebracht und von einer Qualität, die man sonst bei deutschen AutorInnen selten findet. Nur bleibt leider zu befürchten, dass diesem Pendant zu Bernt Danielssons „Von hier bis Kim“ und Pete Johnsons „Dich krieg´ ich auch noch rum!“ auch derselbe Erfolg beschieden ist: nämlich so gut wie gar keiner. Was mehr als schade wäre.

Hinter diesem Urteil stelle ich sogar meine Probleme mit dem Schluss der Erzählung zurück.
Dass die zwei Männer an den gutaussehenden Frauen kläglich scheitern, der Vater zu seiner Schweinebraten kochenden Frau zurückkehrt, weil´s mit der jungen Designerin nicht hinhaut und Marcel die beiden Klassenmiezen gegen einen Bulldozer eintauscht, ist entweder von einer unverzeihlichen Plattheit oder einer mir nur schwer verständlichen Ironie.
Sei´s drum, langweilig ist das Buch auf keiner Seite, ernst nur selten und ernsthaft komisch oft genug.