Lesenswertes über Christian Bieniek
 
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  Christian Bieniek
Gesehen von Ralf Schweikart
 
 
Mit freundlicher Genehmigung von Ralf Schweikart
Veröffentlicht im 7. Autoren Reader „Schreiben Lesen Hören“ - Jugendliteratur 1998
Herausgeber: Kultursekretariat Nordrhein-Westfalen
 
 
Kinderbücher zu schreiben kann gar nicht so schwer sein. Eine in weiten Kreisen verbreitete Ansicht, schenkt man dem Stöhnen sämtlicher Kinder- und Jugendbuchlektoren dieser Republik über die bergeweise unverlangt eingesandten Manuskripte Glauben. Doch die Karriere solcher Geschichten ist zumeist schon am Ende, ehe sie überhaupt begonnen hat.

Findet sie hingegen nicht gleich den Weg zurück zum Absender, beginnt die schwere Arbeit erst.
Denn genau das richtige Thema, den richtigen Ton, die richtige Erzählform zu finden, die aus der jeweiligen Geschichte ein spannendes und erfolgreiches Buch macht, ist eine Gleichung mit vielen Unbekannten. Denn trifft das Buch den Zeitgeist und damit den Nerv der Leser, sind vielleicht die erwachsenen Käufer genervt, hat man deren Wohlwollen gewonnen, fliegt das Buch im Kinderzimmer womöglich ungelesen in die Ecke.
Dieser mühevolle Weg lastet auf so manchem Buch zentnerschwer, während andere federleicht und mit Drive daherkommen. Zur letztgenannten Kategorie zählen zweifellos die Bücher Christian Bienieks. Dort haben weder verwunschene Wichtel ihren Platz noch stellt sich die Frage nach zeitgemäßerem Stil oder einer glaubhafteren Umsetzung.
Nein, seine Figuren sind Kids aus dem Hier und Jetzt mit all ihren Spleens, Ticks, Moden und den für Erwachsene so befremdlichen Eigentümlichkeiten.

Aber es sind nicht die dunklen Probleme in den Hinterstübchen der kindlichen Psyche oder die Spitzenreiter auf der Problemrangliste engagierter Kinderschützer, die Christian Bieniek sorgfältig aufarbeitet. Sein Thema sind die alltäglichen Schwierigkeiten von Kindern in einer an Schwierigkeiten nicht armen Zeit und Umwelt, die er mit wachen Augen und Ohren aufgreift und literarisch umsetzt.
Ob der pubertär verwirrte Hormonspiegel, die Angst vor Pickeln oder dem qualvollen Hoffen, dass die himmelhochjauchzende Liebe ihre Erfüllung findet, als Reaktion erhofft sich Christian Bieniek immer „Gelächter. Gute Laune. Nachdenklichkeit.“ In dieser Reihenfolge. Und damit die Geschichten in Bewegung kommen und ihre Leser an der verwundbarsten Stelle treffen, dreht sich fast alles um die erste Liebe, um den Jungen oder das Mädchen, das plötzlich nicht mehr nur der nette Kumpel aus der Schulbank ist, sondern mehr.

Das Besondere daran ist die Art und Weise, wie er diese Geschichten erzählt. Und da sind die einzelnen Stationen seiner bisherigen Schreibkarriere deutlich herauszulesen.
Die spritzigen und temporeichen Dialoge hängen mit seinen Erfahrungen als Hörspielautor zusammen. 1987 wurde das erste gesendet, und noch heute, nach zahlreichen Erfolgen auch über das Kinder- und Jugendbuch hinaus, beantwortet Christian Bieniek die Frage nach dem „Herzenskind“ unter seinen Werken mit der Hörfunkserie „Viererpack“, weil sie so superkomisch ist. Und genug Dialogerfahrung lässt sich sammeln, wenn man über 30 Hörspiele und zwei Radioserien mit insgesamt über 130 Folgen geschrieben hat.

Seine immer wieder überbordende Sprach- und Situationskomik ist auf die Arbeit als TV-Sketcheschreiber zurückzuführen, unter anderem für Harald Juhnke und Hella von Sinnen.
Das Schreiben auf eine Pointe hin, die Kurzdialoge, der blitzschnell funktionierende Witz, all diese Mittel tragen allein keinen Roman, aber sie sorgen in den passenden Momenten eingestreut für das treibende Element, zugleich für die notwendige Distanz zum Text, damit der Leser befreit auflachen kann, auch wenn er dabei unbewusst über sich selbst lacht.
Und sie sind in der richtigen Dosierung die Würze, die jugendliche Leser nicht nur in den amerikanischen Sitcoms ganz besonders zu schätzen wissen.

Mehr als nur kleine Happen zu schreiben war 1993 Ansporn genug für den ersten Roman mit dem Titel „Immer cool bleiben“. Und weil der Autor mit Vergnügen behauptete, Jugendbücher eigentlich langweilig zu finden, standen ihm sämtliche klischeefreien und klischeeüberladenen Zonen zur Verfügung, griff er ungeniert in die Trickkiste der alten Komödiendichter, schließlich war Molière im zarten Alter von 6 Jahren schon großes Vorbild, und schrak auch nicht vor einem überdreht unglaubwürdigen Happyend zurück.
Schon mit dem zweiten Buch „Svenja hat´s erwischt“ gelang ihm der Sprung auf die Auswahlliste zum Deutschen Jugendliteraturpreis. Eine ebenso überraschende wie seltene Auszeichnung für ein Buch und einen Autor, der bewusst auf Unterhaltung und Tempo setzt und so gar nicht in die Schubladen des eher auf schwergewichtige Kinderromane abonnierten Auswahlgremiums passt.

Dass Christian Bieniek seine Figuren und Handlungen in der Alltagswelt ansiedelt und um seine Medienerfahrungen herum gruppiert, hat verschiedene Gründe.
1956 geboren, gehört er zu der ersten Mediengeneration, für die Fernsehen zum Alltag gehörte.
Früh zog es ihn in die populäre Musik, die in jener Zeit für die meisten Erwachsenen alles andere als populär war. Punk hieß in den späten 70ern das Modewort und bezeichnete eine Musik, die mit drei Akkorden auskam, weil die Musiker gar nicht mehr kannten. Als in England die Sex Pistols mit zerrissenen Klamotten und Sicherheitsnadeln in der Haut, einer Art frühem Protestpiercing, „Anarchy in the UK“ verkündeten, gab es auch für Christian Bieniek keinen Grund mehr, weiterhin in Köln Klavier und Schlagzeug zu studieren.
Alles wurde neu und anders, nun war er plötzlich Gitarrist in einer Rockband, Klavierlehrer und Pianist und schrieb nebenbei für Punk-Fanzines Artikel über den revolutionären Geist der Punk-Gründerväter und für Tageszeitungen.
Von diesem wildromantischen Geist jener Tage hat etwas in seinen Büchern überlebt. Es ist der rotzige Kampf im Kleinen gegen die Ungerechtigkeiten, den Muff und die Spießigkeit im Großen. So sind auch Christian Bienieks Heldinnen und Helden allesamt Kämpfer gegen die ungerechte Welt, die mit sich beschäftigten Erwachsenen, ihre nie zu erfüllenden Erwartungen.
Aber ihre Mittel sind nicht nur Provokation und Rotzigkeit, sondern vor allem Ideen und Schlagfertigkeit.
Geblieben ist darüber hinaus die Offenheit der Musik gegenüber. Wer seine Lieblingsmusik zwischen Mendelssohn und Rödelheim Hartreim Projekt ansiedelt, hat auch da das offene Ohr zu der Lebenswelt seiner Figuren.
Seit 1993 schreibt Christian Bieniek Kinder- und Jugendbücher. Seit dieser Zeit verstehen sich seine Kinder- und Jugendbücher als Bindeglied zwischen dem themenzentrierten, ernsten und dem allein unterhaltenden Kinderroman, dem immer der Ruch des Trivialen anhaftet. Sich dazwischen beschädigungsfrei hindurchzubewegen ist eine schwierige Aufgabe, die ihm bislang aber immer mit Bravour geglückt ist - ganz gleich ob in seinen Büchern für Jugendliche oder für die Kleinen.
Kinderbücher zu schreiben kann gar nicht so schwer sein - wenn man´s kann.
Da bedarf es schon Autoren wie Christian Bieniek, um diesen Satz zu untermauern.